1. April 2022
Der SAJO Blog bietet seit Februar 2020 einen Leitfaden mit aktuellen Informationen und Empfehlungen zur SARS-CoV-2 Pandemie.
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Ein Aprilscherz? Leider nein. Seit heute, am 1. April 2022, fallen in Deutschland sämtliche vom Bund verordneten Sicherheits-maßnahmen zur COVID-19-Seuche. Lediglich eine sehr obskure „Hotspot-Regelung“ bleibt in Kraft.
Im März 2021 lagen die Neuinfektionszahlen in Deutschland bei etwa 100.000 pro Woche. Im März 2022 lagen sie bei 1.300.000, Tendenz steigend. Dann ist es verständlich, dass alle Maßnahmen fallen. Schaut doch gut aus.
Wir ersparen uns die weiteren deprimierenden Zahlen. Sie kennen die Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/map.html
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Deutschland zählt momentan 300 COVID-19-Opfer pro Tag; Menschen, die nicht sterben müssten, wenn ein paar Regeln aufrechterhalten blieben! Wenn diese Zahlen so weitergehen, dann summiert sich das für 2022 auf über 70.000 Tote. Unnötige Todesfälle. Ist das einer aufgeklärten Gesellschaft würdig?
Was ist geschehen? In einigen Nachbarländern wurde im Laufe der letzten Wochen vieles gelockert. Das erzeugt „peer pressure“. Deshalb haben sich in der Bundesregierung und dem Bundestag die lautesten Schreihälse und die Dummköpfe durchgesetzt. Nicht in die Rechnung ging ein, dass unsere Nachbarn eine viel höhere Impfquote haben, auf die sie sich stützen können. Auch ist die Bevölkerung in unseren Nachbarländern generell achtsamer im Umgang mit der Seuche. Was würde es kosten, eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen (öffentliche Gebäude, Firmen, Büros, ÖPNV, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser etc.) beizubehalten? Eine FFP2 Maske ist keine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit. Im Gegenteil:
Die FFP2-Maske ist das Ticket zu einem einigermaßen freien Umgang miteinander, ohne sich mit SARS-CoV-2 anzustecken.
Wir können nur hoffen, dass das viele Menschen in Deutschland mittlerweile eingesehen haben, und sie sich weiterhin in geschlossenen Räumen damit schützen. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, dann kommen mehrere Probleme auf uns zu: Dann kämpfen hier in Deutschland viele Krankenhäuser, aber auch generell viele Arbeitgeber mit noch massiveren Personalausfällen, als ohnehin schon beklagt werden.
Nun stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung eine solche Kehrtwende machen konnte. Eine naheliegende Antwort lautet: Die Freien Demokraten führen als kleinster Koalitionspartner die zwei größeren am Nasenring durch die Manege. Ein Koalitionsbruch würde zu Neuwahlen führen, das wollen die beiden Partner vermeiden.
Die FDP war einmal eine liberale Partei. Das hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren geändert. Heute hat sie einen sehr egozentrischen Freiheitsbegriff: Er lautet „Ich will meine eigene Freiheit, auch auf Kosten der Freiheit anderer“. Das halten wir für undemokratisch. (Übrigens: Dies sind die Farben auf den FDP-Plakaten.)
Der Freiheitsbegriff dieser Partei ist sehr eng gefasst. Ein Mund-Nasen-Schutz nimmt Ihnen Freiheit? Absurd. Doch an Absurditäten haben wir uns im Laufe der Pandemie schon gewöhnt. Wir erinnern an die bayerische Regelung von 2020, nach der eine Einzelperson im Freien nicht auf einer Parkbank sitzen durfte. Da fehlen einem schlicht die Worte.
Gibt es weitere Gründe, warum die FDP alle Maßnahmen beenden wollte? Uns kommt hier ein weiterer – sehr böser – Gedanke. Die FDP will den schlanken Staat und sie möchte einen sparsameren Staat. Von den 70.000 Menschen, die in diesem Jahr an COVID-19 sterben, sind die meisten im Rentenalter. Sie tragen für die FDP also nichts mehr zur Entschuldung des Staates bei, im Gegenteil, sie belasten die Renten- und Sozialkassen. Diese Menschen sterben zu lassen, ist ein eleganter Versuch, die Staatskasse zu entlasten. Würde die FDP das zugeben? Natürlich nicht, Heuchelei gehört zu ihrem Geschäft. Die Alten und die Kranken haben keine Lobby in Deutschland.
Omikron bleibt weiter heimtückisch. Es ist infektiöser als seine Cousins, und es befällt die Menschen unterschiedlich. Von asymptomatischen Infektionen bis zum tödlichen Verlauf ist alles gegeben. So können sich viele in einer trügerischen Sicherheit wiegen. Über die Spätfolgen wissen wir zu wenig. Das allein sollte beunruhigen.
Wenn das Virus sich Millionen Opfer suchen kann, dann hat es auch unendlich viele Gelegenheiten, sich weiter zu verändern. Das kann in Deutschland geschehen, aber auch in China. Dort verliert der Staat momentan langsam, aber stetig die Kontrolle über das Infektionsgeschehen. Und dort sprechen wir nicht nur von Millionen Wirten für das Virus.
Offiziell wurden weltweit bisher etwa 500.000.000 Infektionen gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Doch uns Virologen beschäftigt dabei die Tatsache, dass noch mehrere Milliarden ungeschützter Menschen dem Virus eine Chance geben können, sich weiter zu verändern. Die Richtung einer solchen Änderung – ob milder oder aggressiver – lässt sich leider nicht vorhersagen.
Sie sehen, es bleibt spannend, diese Sache ist noch lange nicht ausgestanden.
Neben Mund-Nasen-Schutz appellieren wir noch immer für die Impfung. Wir selbst sind geimpft und tragen FFP2-Masken in geschlossenen Räumen. Versammlungen mit Menschen, die ohne FFP2-Masken stattfinden, meiden wir. Die FFP2-Maske schützt zu über 90 % vor Infektion, die Impfung schützt zu 80 % vor schweren Verläufen. Das sollte Argument genug sein. Doch entscheiden Sie selbst aufgrund der Fakten.
Bleiben Sie aufmerksam.
P.S.: Da wir heute von Dummheit sprechen, haben wir eine interessante Leseempfehlung. Michael Schmidt-Salomon: „Keine Macht den Doofen“. In dieser Streitschrift erklärt der Philosoph den Homo demens. Lesenswert.
Ihr Jörg Baumann und Sabine Breun
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