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Populismus und Pandemie in einer Demokratie

Es gibt einen Ausweg aus diesem Schlamassel

29. März 2021

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Unsere Vorschläge basieren ausschließlich auf wissenschaftlichen Ergebnissen und Know-how.

Unsere Politikerinnen und Politiker, die das Land durch die Pandemie leiten, sind derzeit nicht zu beneiden. Während einzelne Leute im Parlament ein Scheingefecht führen, ohne dass sie klare und konstruktive Vorschläge unterbreiten können, und so das Land lähmen (wollen), verbreitet sich das Virus rasant. Insofern können wir verstehen, dass die Kanzlerin sich nicht durch unsinnige Fragen wühlen möchte, was alles einen Zeitverlust mit sich bringt. Der Diskurs mit den 16 Ministerpräsident*innen ist anstrengend genug. Es erinnert an Sandkastenspiele. Das Virus läuft uns davon, während Deutschland unter einem Bleimantel an Forderungen aus der Wirtschaft und populistischer Politik begraben scheint.

Die 16 Minsterpräsident*innen im Druckkessel des Populismus. Cartoon: Oliver Hoogvliet

Zu Beginn der Pandemie war verständlich, dass man auf Sicht fahren musste, was nichts weniger bedeutete, als alle zwei Wochen ein Treffen zu vereinbaren, um die Maßnahmen dem wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisgewinn anzupassen.

Innerhalb des letzten Jahres aber hat die Wissenschaft sehr viel über SARS-CoV-2 herausgefunden. Die Ministerpräsident*innen sollten versuchen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in effiziente und verständliche Schutzmaßnahmen umzumünzen, doch dies gelingt nicht. Stattdessen wird den Lobbyisten nach dem Mund geredet. Die Umsetzung ist mit mangelhaft zu bewerten, wenn man sich die Beschaffung von Impfstoff und Schnelltests anschaut. Doch auch der ständig wechselnde Maßnahmenkatalog ist verheerend. Die Politik irrlichtert momentan.

(Hinweis: Wir sind keine Mitglieder politischer Parteien oder Religionsgemeinschaften oder von Vereinen. Unabhängigkeit, Souveränität und Freiheit sind für uns ein wichtiges Gut, an dem wir festhalten. Wir beraten auf unserem Blog rein wissenschaftlich, ohne eigene Interessen und ohne Interessenskonflikt, also uneigennützig. Wir werden dafür nicht bezahlt.)

Wir benötigen eine langfristige Strategie, denn alle zwei Wochen den Fühler in die Befindlichkeiten der Bevölkerung zu hängen und damit auf Sicht zu fahren, bei einem Virus, das mittlerweile bekannt ist, zermürbt die Bevölkerung.

Deshalb muss jetzt die Notbremse gezogen werden, denn der exponentielle Anstieg ist weltweit zu verzeichnen, UNABHÄNGIG davon, ob einzelne Länder gute Impfquoten aufweisen. Wie bereits angedeutet, wird uns eine Impfstrategie allein aus dieser Pandemie nicht führen können. Die Gründe dafür haben wir bereits mehrfach erörtert.

In der KW 10 hatten wir 20 % mehr Infektionen als in der Vorwoche, in der KW 11 betrug die Steigerung bereits 30 %, und in dieser Woche KW12 verzeichnen wir erneut 25 % mehr Infektionen als in der Vorwoche. Das nennt man exponentielles Wachstum. Sollte Ihnen das Konzept noch immer fremd sein, verweisen wir auf einen unserer ersten Blogbeiträge, der anschaulich erklärt, was exponentielles Wachstum bedeutet (https://www.sajo-innovation.de/blog/de/was-ist-r0-und-was-hat-der-logarithmus-mit-musik-zu-tun/). Intensivmediziner schlagen Alarm, die Intensivstationen füllen sich bereits wieder dramatisch. Mit wesentlich jüngeren Menschen als 2020. Auf welche Signale wartet die deutsche Politik noch?

Wir empfehlen einen rechtzeitig mit der Wirtschaft abgesprochenen Shutdown für 4 (!) Wochen als Notbremse, einen landesweiten vollständigen, kompletten shutdown, mit Ausgangssperren, um die Infektionszahlen zu drücken, um dann, nach Erreichen von niedrigen Inzidenzen, zu einer langfristigen Strategie zu wechseln.

Die Regierung hatte über Ostern einen „Wellenbrecher“ anvisiert. Die Idee an sich ist gut, war jedoch zu kurzfristig anberaumt, und der Zeitraum von fünf Tagen ist zu kurz bemessen. Um diese Idee aufzugreifen, sollte die Regierung mit der Wirtschaft einen Termin vereinbaren, um so früh wie möglich das ganze Land für 4 Wochen in einem kompletten Shutdown herunterzufahren. Dann stehen die Chancen gut, den Effekt eines „Wellenbrechers“ zu erreichen.

Warum vier Wochen? Eine infizierte Person ist bis zu 14 Tage lang ansteckend, wenn am Ende dieser Periode eine weitere Person angesteckt wird, verlängert sich diese Infektionskette um weitere 14 Tage. Mit vier Wochen ist man auf der sicheren Seite, was absolut notwendig sein wird.

Wie soll der Shutdown aussehen?

Wir verweisen auf den 18-Punkte Plan in folgendem post: https://www.sajo-innovation.de/blog/de/strategie-2021-gegen-sars-cov-2/ Ausserdem sind folgende Maßnahmen zusätzlich erforderlich, um das aktuelle Infektionsgeschehen zu stoppen:

Alle Gewerbe werden geschlossen, Schulen und Universitäten gehen zu online-Unterricht über, der ÖPNV wird geschlossen.

Nur essentielle Geschäfte haben geöffnet (Lebensmittelhandel, Apotheken, Physiotherapiepraxen etc.), sowie die Impfzentren.

Wir hassen Ausgangssperren, aber uns ist bewusst, dass zu viele Menschen keinerlei Maßnahmen treffen, sich und andere zu schützen. Wenn sich das nicht ändert, müssen in Ballungszentren auch Ausgangssperren möglich sein.

Wer das als undemokratische oder gar diktatorische Maßnahme ansieht, sollte sich fragen, ob das nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn alle sich im letzten Jahr zusammengerissen hätten, ganz selbstbestimmt und demokratisch in Eigenverantwortung! Freiwillig funktioniert dies in Deutschland offensichtlich nicht.

Es wird Zeit, dass die Vernunft die Oberhand erhält. Dieser Shutdown nimmt all den Gierigen, Dummen und Ignoranten das Heft des Handelns aus der Hand.

Der Shutdown gibt auch Bund und Ländern vier Wochen Zeit, eine Strategie zu entwickeln, denn nach Ende des Shutdowns muss eine langfristige Strategie verfolgt werden.

Eine langfristige Strategie wäre eine langsame Öffnung bei gleichzeitiger Verhaltensänderung der Bevölkerung. Die Infektionszahlen steigen an, weil sich die Menschen nicht an die Maßnahmen halten. Die vier Wochen, in denen die Menschen zuhause bleiben müssen, kann man nutzen für Aufklärungskampagnen mit Verhaltensänderung und für die Implementierung von Maßnahmen bei Verstößen. Ein Verstoß gegen sinnvolle Maßnahmen hat eine Gefährdung vieler Menschen zur Folge.

Aufklärungskampagnen werden benötigt, ähnlich den Wahlkampf-Werbespots, die ein gutes Gefühl vermitteln sollen, die/den eine/n Kandidat*in zu wählen. … – Ich fühle mich wohl, wenn es mir gut geht, also verhalte ich mich entsprechend – …. Diese Werbespots wären zur Pandemiebekämpfung, zur Verhaltensänderung, sinnvoller als für den Wahlkampf. Gerne dürfen Sie auch beides machen. Schließlich stellt die Situation die Politiker langfristig vor zwei Aufgaben: Politik und Pandemiebekämpfung. Das stellt höhere Ansprüche an alle politischen Ämter als bisher.

Nach den vier Wochen können unter Einhaltung strenger Maßnahmen nach und nach Öffnungen stattfinden: Impfen, Testen, Kontaktverfolgung (analog oder digital), 14 Tage Quarantäne, 2 Meter Abstand, FFP2-Masken; mehr braucht es nicht, um das Virus auszurotten, es braucht nur den Willen dazu. Andere Länder haben das erfolgreich vorgemacht. Manchmal lohnt sich ein Blick über die Grenzen.

Bis ein Großteil der Bevölkerung geimpft wurde, sind Abstand und Mund-Nasen-Schutz der beste Schutz. Daher muss im öffentlichen Raum eine FFP2-Maskenpflicht gelten, OP-Masken sind nicht ausreichend.

Reisen während einer Seuche, die hoch ansteckend ist, und sich sehr schnell verändert, sind NICHT möglich. Jeder vernünftige Mensch bleibt zuhause. Wir hätten Verständnis für Reiseverbote, wie es Großbritannien praktiziert. Auch ist den Menschen nicht vermittelbar, warum Hunderte Passagiere dichtgedrängt in Flugzeugen sitzen dürfen, während Theater, Kino und Oper geschlossen bleiben.

Schnelltests und Selbsttests müssen flächendeckend ausgebaut werden. Auch im privaten Bereich sind tägliche Tests sinnvoll, am besten morgens vor dem Durchführen der Mundhygiene. Bei einem negativen Schnelltestergebnis müssen die Schutzmaßnahmen weiterhin eingehalten werden, denn je nach Testanbieter werden bis zu 30 % der Infizierten nicht erfasst, und zeigen ein falsch-negatives Ergebnis an. Positive Schnelltests zeigen nur die Individuen, die sehr viel Virus ausscheiden. Nur das wird durch diese Art Tests angezeigt.

Bei einem positiven Test muss der gesamte Haushalt in Quarantäne. Quarantäne bedeutet 14 Tage Rückzug in die eigenen vier Wände, ohne Ausnahme. Der Haushalt sollte sich wegen weiterer Betreuung beim zuständigen Gesundheitsamt melden und die Hausärztin/den Hausarzt kontaktieren. Ab einer Frist von 7 Tagen kann ein negativer PCR-Test aller Mitbewohner die Quarantäne beenden. Anders stoppt man die Ausbreitung des Virus nicht.

Es ist höchste Zeit, dass die Wirtschaft sich nicht nur stützen lässt und Forderungen stellt, sondern im Gegenzug auch Verantwortung übernimmt und verbindlich die eigenen Mitarbeiter*innen schützt. Dies einzufordern wäre eigentlich Aufgabe der Gewerkschaften und der Betriebsräte. Gewerkschaften und Betriebsräte schreiben sich das Wohlergehen der Mitarbeiter*innen auf die Fahne. Dies beinhaltet für sie allerdings lediglich einen Kampf für kürzere Arbeitszeiten und höhere Gehälter. Wir sehen kein Engagement ihrerseits im Hinblick auf einen Schutz vor Infektionen am Arbeitsplatz. Jeder Betrieb muss alle Mitarbeiter*innen täglich testen. Positive Tests müssen umgehend den Gesundheitsämtern gemeldet werden. Handelt es sich um eine größere Anzahl an Infizierten, ist davon auszugehen, dass der Betrieb aufgrund mangelnder Hygienemaßnahmen zum Hotspot wurde. Das führt zur sofortigen Schließung, samt Quarantäne des gesamten Personals, bis alle Betroffenen einen negativen PCR-Nachweis erhalten.

Schulen: In Asien sitzen die Kinder in den Klassenzimmern weit auseinander, während in Deutschland die Kinder eng aufeinandersitzen. Auch in Versammlungssälen, zum Beispiel im Bürgersaal im Rathaus hocken die Menschen immer noch eng aufeinander und halten Tagungen ab. Es ist uns unbegreiflich, wie man sich – nach bereits einem Jahr Pandemie – immer noch so fahrlässig verhalten kann. Das sind die Gründe, warum die Infektionszahlen in die Höhe schnellen.

Eine neue Metastudie in „Science“ gibt Aufschluss über die Pandemietreiber. Die Forscher der Oxford University hatten dazu Daten aus 42 Ländern analysiert, um zu sehen, welche politisch verordneten Maßnahmen den größten Effekt auf die Infektionszahlen hatten. Zwei Maßnahmen stechen dabei hervor: Das Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Menschen und die Schließung von Schulen und Universitäten hatten den größten Einfluss auf das Pandemiegeschehen. (https://science.sciencemag.org/content/371/6531/eabd9338)

Zur derzeit geöffneten Außengastronomie können wir folgendes sagen: Wir sehen dies sehr kritisch, denn es kommen sich Menschen näher als 2 Meter und tragen keine Schutzmaske. Das Risiko einer Infektion ist an der frischen Luft deutlich geringer, es ist aber abhängig von der Luftbewegung, und wie der Mensch Aerosolen in der Atemluft anderer direkt ausgesetzt ist. Es kommt darauf an, wie eng die Tische stehen und wie eng die Leute sitzen. Es kommt darauf an, wie Leute reden, schreien oder spucken, wie diszipliniert sie sind, wenn sie aufstehen. Windige Tage minimieren das Risiko. Weitläufige Biergärten sind besser, alternativ eine nur dünn besetzte Terrasse. Wir sehen auch ein Problem mit Bedienungen, die von Tisch zu Tisch gehen, und näher als 2 m kommen, und das ohne FFP2-Masken. Auch das Küchenpersonal muss bei der Speisenzubereitung FFP2-Masken tragen, alles andere ist sinnlos.

Der Impfstoff allein wird uns nicht aus der Pandemie führen können, wie erste Zahlen aus dem Ausland zeigen. Wir brauchen eine Verhaltensänderung der Bevölkerung und weitere neue Medikamente, sog. Antivirals, die im Akutfall eingesetzt werden können. Anders werden wir diese Pandemie nicht überkommen können.

Das Rad der Pandemie rollt weiter. Es ist höchste Zeit, dass sich auch die Wirtschaft verbindlich gegen die Pandemie engagiert. Dieses Coronavirus hat die Eigenschaft, häufiger als erwartet Mutationen anzusammeln. Mit dieser Aussicht wird uns Wissenschaftler*innen Angst und Bange.

Viren mutieren regelmässig. Eine gefährlichere und sich besser verbreitende Variante wird sich durchsetzen. Das ist nur eine Frage der Zeit. Cartoon Oliver Hoogvliet

Zur Erinnerung: Der Wettlauf gegen das Virus ist in vollem Gange! Wir sind mitten drin!

Der Weg aus der Pandemie in einer Übersicht, von Dr. Sabine Breun und Dr. Jörg Baumann, SAJO – innovation in infectious diseases, Verwendung der Abbildung ist zulässig nur unter Angabe der Autoren! (Für eine Vergrößerung der Darstellung drücken Sie bitte STRG+).

Wir verweisen auf unseren Blog-Beitrag zur Strategie 2021 mit einem ausgearbeiteten 18 Punkteplan.

https://www.sajo-innovation.de/blog/de/strategie-2021-gegen-sars-cov-2/

Ihre Sabine Breun und Jörg Baumann

SAJO berät rund um Infektionskrankheiten. Wir wenden unser Wissen an, das wir aus der Infektionsforschung über mehr als 20 Jahre international erarbeitet haben. Wir tun, was wir können, um diese Pandemie zu bekämpfen.

SAJO – für eine gesündere Welt und bessere Zukunft!

AUFRUF: Wir alle benötigen DRINGEND neue antivirale Wirkstoffe, um SARS-CoV-2 mit kommende Mutanten behandeln zu können. SAJO bietet DIE Schlüsseltechnologie an, um das zügig zu ermöglichen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, zu investieren, dann machen Sie das bitte, damit wir Antivirals entwickeln können.

Ein herzliches Dankeschön an Oliver Hoogvliet für die großartige Zeichnung ollihoo (https://hoogvliet.de).

Blog post No. 163. Unser Blog erfährt eine breite Akzeptanz, was uns sehr erfreut, wir teilen gerne unser Wissen, schliesslich gehören wir weltweit zu den Besten. Einzelne Beiträge und Inhalte werden von zahlreichen anderen übernommen, auch von vielen Medien. Wir haben noch gelernt, wie man richtig zitiert, und es würde uns umgekehrt auch erfreuen. Abschreiben und Kopieren ist uncool! Außerdem: Bitte empfehlen Sie unseren Blog weiter – er ist ein informatives Werkzeug im Kampf gegen Pandemien.

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